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SoVD legt Widerspruch ein und erwirkt zweite BegutachtungFalsche Angaben im Gutachten: Pflegegrad wird abgelehnt

Neben einer Fibromyalgie, einer chronischen Schmerzerkrankung, leidet Engin Kelik an psychischen Beschwerden, die bei ihm den Drang nach übermäßiger Hygiene auslösen. Da der heute 41-Jährige im Alltag auf Unterstützung angewiesen ist, beantragt er 2019 einen Pflegegrad. Doch nach einer telefonischen Begutachtung enthält das vom Medizinischen Dienst (MD) erstellte Gutachten zahlreiche falsche Angaben. Engin Kelik wendet sich daraufhin an den SoVD, der für ihn Widerspruch einlegt und ein neues Gutachten anfordert. Fast ein Jahr nach Antragstellung bekommt das SoVD-Mitglied endlich den Pflegegrad 2 anerkannt.

Die chronische Schmerzerkrankung Fibromyalgie verursacht bei Engin Kelik regelmäßig und unerwartet fast unerträgliche Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen – von denen Füße und Arme besonders betroffen sind. „Ich muss jeden Tag eine Menge starker Schmerzmittel einnehmen, um das überhaupt aushalten zu können“, sagt er. Zudem löst ein psychisches Leiden bei dem 41-Jährigen Ängste und hygienische Zwänge aus. Diese belasten ihn zusätzlich zu seinen gesundheitlichen Problemen, durch die er im Alltag oft Unterstützung braucht, wegen eines erhöhten Verbrauchs an Hilfsmitteln wie Desinfektionsmitteln, Einmalhandschuhen und medizinischen Masken auch finanziell. „Am Anfang der Pandemie waren Masken für mich sehr wichtig, das hat sich inzwischen aber gebessert. Im Moment habe ich im Alltag vor allem das Bedürfnis, Flächen zu desinfizieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich eine öffentliche Toilette benutzen möchte oder ich gerade zu Hause in meiner Wohnung bin. Außerdem ist es schwierig für mich, Dinge mit bloßen Händen zu berühren. Manchmal trage ich auch am Esstisch Handschuhe“, beschreibt er.

Die Pflegekasse stützt sich auf ein fragwürdiges Gutachten und lehnt einen Pflegegrad ab

Aufgrund seines Gesundheitszustands hat Engin Kelik bereits einen Grad der Behinderung von 50 zuerkannt bekommen und beantragt 2019 auch noch einen Pflegegrad. Anschließend gibt seine Pflegekasse eine Begutachtung in Auftrag – die aber nur per Telefon stattfindet. Das Resultat: Ein Gutachten voller Ungereimtheiten und Angaben, die nicht den Tatsachen entsprechen. „Mir wurde ständig das Wort im Mund umgedreht. Ich habe zum Beispiel von meinen Orientierungsproblemen erzählt und dass meine Frau mir meine Kleidung rauslegen muss, weil ich das allein nicht schaffe. Das wurde so gedreht, als hätte ich behauptet, sie würde mich dabei unterstützen, mich modisch anzuziehen“, erinnert sich Engin Kelik. Dieses mehr als fragwürdige Gutachten ist für die Krankenkasse Grund genug, den Antrag auf einen Pflegegrad abzulehnen. Doch der 41-Jährige gibt nicht auf und wendet sich an den SoVD.

Der SoVD setzt sich für ein zweites Gutachten ein

Hilfe bekommt Engin Kelik von Frank Rethmeier, dem Leiter des Sachgebiets Sozialrecht des SoVD-Landesverbands Niedersachsen. „Ich erlebe immer wieder, dass die gesundheitliche Situation von Betroffenen bei einer Begutachtung am Telefon oder nach Aktenlage vom Medizinischen Dienst völlig falsch bewertet wird. So war es auch bei Herrn Kelik. Normalerweise hätte sein Antrag nicht abgelehnt werden dürfen“, beurteilt Frank Rethmeier. Der Sachgebietsleiter legt daher sofort Widerspruch ein und fordert ein erneutes Gutachten an. Dieses Mal fällt die Beurteilung völlig anders aus – fast ein Jahr nachdem er seinen Antrag gestellt hat, bekommt Engin Kelik den Pflegegrad 2 zugesprochen. „Ich bin Herrn Rethmeier unglaublich dankbar, dass er das für mich erreicht hat. Zum Glück hatte ich ihn an meiner Seite und war nicht allein auf mich gestellt. Das zu wissen, hat mir vor allem psychisch sehr geholfen und mich aufgebaut“, erzählt das SoVD-Mitglied. Da er nun Pflegehilfsmittel beantragen kann, hat sich mit dem erfolgreichen Widerspruchsverfahren auch die finanzielle Lage von Familie Kelik gebessert. „Dank des SoVD kann ich das Leben mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern endlich wieder unbeschwerter genießen“, so das Mitglied. Für Frank Rethmeier ist klar: Man sollte nicht sofort aufgebeben, wenn der Antrag auf einen Pflegegrad abgelehnt wird. „Dieser Fall zeigt, dass es auch im jungen Alter durchaus möglich ist, einen Pflegegrad zu bekommen. Wer einen Widerspruch nicht allein einlegen möchte, kann wie Herr Kelik gerne unsere Hilfe in Anspruch nehmen“, informiert der Rechtsanwalt.