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Keine Erwerbsminderungsrente trotz schwerwiegender ErkrankungenBewilligung erst nach persönlicher Stellungnahme

Katharina M. (Name geändert) liebt ihren Beruf und arbeitet trotz mehrerer Erkrankungen leidenschaftlich als Einzelhandelskauffrau in Vollzeit. Als sich ihr Gesundheitszustand aber immer weiter verschlechtert und ihre psychischen Probleme sich infolge einer betriebsbedingten Kündigung verschlimmern, beantragt sie bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) die volle Erwerbsminderungsrente. Die DRV lehnt ihren Antrag rasch ab. Erst mit der Unterstützung des SoVD und mit einer persönlichen Stellungnahme von M. lenkt die DRV ein.

Jahrzehntelang arbeitet Katharina M. engagiert in einem großen Warenhaus. Sie ist als Einzelhandelskauffrau in Vollzeit tätig – trotz mehrerer Erkrankungen und psychischer Belastungen, die sie jeden Tag begleiten. Sie leidet unter anderem an Lipödemen in den Beinen, Bluthochdruck, einer depressiven Störung sowie an einer schwerwiegenden Kniearthrose. 2007 unterzieht sie sich einer Knorpelzellentransplantation und 2017 muss ihr ein neues Kniegelenk eingesetzt werden. Zu einigen der Erkrankungen und zu deren Verschlimmerung trägt auch ihr Arbeitsalltag bei, schildert die heute 61-Jährige. Die Tätigkeit in verschiedenen Abteilungen des Warenhauses sei körperlich und psychisch herausfordernd gewesen. „Ziehen extrem schwerer Europaletten“ oder „Verräumen von sperriger und schwerer Ware auch in schwer zugänglichen Regalbereichen“ nennt M. beispielhaft. Da sie chronische Knieschmerzen hat, kann sie sich zum Beispiel nicht hinknien. Um die Ware dennoch zu verräumen, muss sie ihren Körper mitunter falsch belasten, was zu weiteren Problemen wie Rücken- und Nackenschmerzen sowie Migräne führt. Außerdem ist der Arbeitsalltag geprägt von hohem Druck und Stress. Viel Kraft fordern etwa die flexiblen Arbeitszeiten in wechselndem Schichtdienst. Im Laufe der Jahre wird im Warenhaus viel Personal abgebaut, was auch den Arbeitsdruck enorm erhöht. Da durch die vielfältigen Erkrankungen ihre Leistungsfähigkeit zeitweise gemindert ist, habe sie immer weniger Wertschätzung und zudem Schikane durch verschiedene Vorgesetzte erfahren, erinnert sich M. „Dieses Arbeitsleben hat durch diese Gegebenheiten körperlich und seelisch meine ganze Kraft gebraucht“, resümiert M.

Katharina M.s psychische Probleme werden mit ihrer Kündigung schlimmer

Als das Warenhaus 2021 wegen einer Betriebsauflösung schließen muss, erhalten alle Beschäftigten die Kündigung. Die plötzliche Arbeitslosigkeit und die ohnehin belastenden körperlichen Schmerzen verschlimmern die psychischen Probleme von M. weiter. Nach der Kündigung ist sie zunächst krankgeschrieben und nimmt zweimal an mehrwöchigen Rehamaßnahmen teil. Diese bringen jedoch nur kurzfristig Besserung. Da sie mit ihrer angeschlagenen Gesundheit nicht mehr arbeiten kann, beantragt M. bei der DRV im Dezember 2022 die volle Erwerbsminderungsrente. Sie legt umfassende Arzt- und Reha-Berichte vor, die ihre Krankheiten und psychischen Probleme dokumentieren, auch die Agentur für Arbeit bescheinigt, dass sie keine Erwerbstätigkeit ausüben könne.

Aus Sicht der DRV sind die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt

Nur wenige Tage nach ihrer Antragstellung erhält M. schon den ablehnenden Bescheid der DRV: Diese kommt zu dem Schluss, die medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente seien nicht erfüllt. Zwar stellt die DRV in ihrem Bescheid sechs Krankheiten, Behinderungen der Mobilität und Konzentrationsfähigkeit fest, ist aber dennoch der Ansicht, dass M. mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts erwerbstätig sein könne. Die DRV erkennt an, dass M. mit ihren Einschränkungen nicht mehr in ihrem bisherigen Beruf als Einzelhandelskauffrau arbeiten könne. Dennoch sei sie aber in der Lage, etwa einer Tätigkeit als Kassiererin in einem Zoo oder Theater nachzugehen.

Der SoVD unterstützt beim Widerspruch und rät zu persönlicher Stellungnahme

M. wendet sich daraufhin an das SoVD-Beratungszentrum Goslar. „In unserer Sozialberatung beobachten wir recht häufig, dass Anträge auf Erwerbsminderungsrente zunächst abgelehnt werden“, schildert Dr. Christoph Ponto, SoVD-Berater in Goslar. Über die sehr schnelle Entscheidung über den Antrag von M. sei aber auch er überrascht gewesen. „Offenbar hat die DRV die vielfältigen und schwerwiegenden Erkrankungen nicht ausreichend gewichtet und nicht eingehend geprüft, wie sich all diese auf die Leistungsfähigkeit auswirken“, so Ponto.

Der Sozialberater legt Widerspruch gegen die Entscheidung der DRV ein. Da M. ihre Erkrankungen schon bei der Antragstellung ausführlich belegt hatte, entscheidet sie sich nun mit dem SoVD dazu, dem Widerspruchsschreiben eine detaillierte persönliche Stellungnahme beizufügen. „Mir war das sehr wichtig, diesen Einblick in meine tatsächliche Situation zu geben, zu schildern, was ich tagtäglich erlebe“, sagt sie. Die Schmerzen und die körperliche Erschöpfung seien so weitreichendend, dass sie nach 30 Minuten Hausarbeit eine Stunde Pause benötige. Selbst spazieren sei kaum möglich, da sie sich bereits nach 300 Metern erholen müsse. Im Mittelpunkt stehen vor allem die psychischen Belastungen, die aus ihren chronischen Schmerzen sowie dem früheren Arbeitsalltag resultieren. Auch auf die von der DRV vorgeschlagene Tätigkeit als Kassiererin geht M. ein: Da sie nicht lange am Stück sitzen könne und ihre Konzentrationsfähigkeit infolge der psychischen Leiden stark reduziert sei, sei auch diese Tätigkeit keineswegs leistbar, erklärt sie.

Die detaillierte Schilderung des Gesundheitszustands führt zum Erfolg

Wenige Wochen später erhält sie die Antwort der DRV: Diese gewährt M. nun die volle und unbefristete Erwerbsminderungsrente. „Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen“, sagt M.

„In aller Regel hängt die erfolgreiche Verfahrensführung in einem Widerspruchsverfahren verstärkt von aktuellen, medizinischen Unterlagen ab. Im Fall von Frau M. hatten wir diese nicht. Unser Vortrag bezog sich daher im Wesentlichen auf ihre eigene Darstellung, mit der wir überzeugen konnten. Ich vermute daher, dass es im Einzelfall sinnvoll sein kann, mit einer persönlichen Stellungnahme detaillierte Einblicke in die tagtäglichen Auswirkungen der Erkrankungen zu ermöglichen, um die Vorstellungskraft bei den Entscheidungsträgern zu erhöhen“, erläutert Ponto.